Die Bedeutung der Mundart
von Georg Fox
Mundart ist ein wichtiger Identitätsanker für jede Region. Folgende Begriffe sind damit untrennbar verbunden: Regionalität (auf eine bestimmte Region bezogen, dem Brauchtum verbunden, der Mentalität verpflichtet, heimatverbunden), Universalität (Themenvielfalt und Inhalte von allgemeinem Interesse), Originalität (Reichtum an Ideen und interessanten Einfällen wie Lautungen, Neologismen, Homonyme etc, Sprach- und Sprechtypik), Unverwechselbarkeit (fest verankert in der Bedeutung, in einem Bezug zu Menschen und Landschaft, sinnstiftend, imagebildend). Sprache ist demnach auch Seelenmassage für eine Bevölkerung. „Jede Region liebt ihren Dialekt, ist er doch eigentlich das Element, in welchem diese Seele ihren Atem schöpft.“ Kein Geringerer als Goethe schrieb diese Lobpreisung der Mundart. "Dialekt ist Sprachbarriere", schreibt der Tübinger Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger, "aber es stimmt nicht, dass es sich dabei nur um eine einseitige Barriere handelte, die von außen und oben beliebig übersprungen werden könnte. Es handelt sich auch um einen Schutzzaun gegen allzu alerte Kommunikateure, und hinter diesem Schutzzaun gedeiht nicht nur Rückständigkeit, sondern auch eine eigene Modernität, die Modernität der Provinz, die sich gegen das technokratische Modernitätsmonopol der Zentralen wendet." Natürlich ist die Hochsprache wichtig, vielleicht sogar wichtiger als die Mundart. Die Hochsprache hat sicherlich ihre Berechtigung als allgemein gültige und verbindliche Sprachform. Sie ist wichtig als ein diese Sprachregionen überspannendes Kommunikationsmedium. Aber: Sie hat keine Heimat. Wir 'leben' nicht in ihr. Sie hat wenig Wurzeln, sie ist für manche sogar keine 'Mutter'sprache, und diese ist nach Heidegger nicht nur die Sprache der Mutter, sondern auch die Mutter der Sprache.
Vorgeschichte
In den 70er und 80er Jahren war im Saarland eine neue Mundartkultur entstanden. Sie wurde zunächst als eine Art des spielerischen Umgangs mit den Regionalsprachen begonnen, die sich aber durchaus mit literarischen Gestaltungsformen beschäftigte. Alfred Gulden veröffentlichte Texte in moselfränkischem Dialekt, Ludwig Harig beschäftigte sich mit der Mundartentwicklung in den Buch „Die saarländische Freude“, Johannes Kühn dichtete in seiner moselfränkischen Heimatsprache. Die Schriftsteller vermittelten, dass Mundart auch als literarische Gestaltungsform des 20. Jahrhunderts wertgeschätzt werden sollte. Gerhard Bungert und Charly Lehnert waren daneben die Promotoren einer populären Mundart, die allgemein mit dem Kennzeichen “Lyonerkultur” umschrieben wurde. Sie schafften es, der Mundart durch Publikationen einen populären Status zu verleihen. Bücher wie das Lyonerbuch, Meins unn Meiner, Lääwe unn lääwe losse, So schwätze mier wurden zum Kennzeichen einer Art Pop-Kultur der Mundart. Herausgeber nutzten Mundart als Ausdrucksform, um die saarländische Lebensart zu karikieren. Es entstanden erste Wörterbücher, deren Bedeutung aber in erster Linie in ihrem Unterhaltungswert lag. Die Unterscheidung nach den beiden unterschiedlichen Dialektformen wurde nicht durchgängig vorgenommen. Die rheinfränkische Variante der Regionalsprache hatte einen Vorrang und wurde oft mit „saarländischer Mundart“ gleich gesetzt. Die Darstellung der Mundart förderte durchaus auch ein Bewusstsein, welches Mundart als Sprachform nutzte und sie auch für die Zeit außerhalb der Fastnacht durchaus akzeptabel erscheinen ließ. In dieser Zeit liegen auch die Anfänge eines Mundart-Kabarettisten namens Gerd Dudenhöffer, der später als Heinz Becker im Fernsehen Serienerfolge mit seiner Familiengeschichte feierte. Der Rundfunk hatte zudem mit der Saarlandwelle ein neues Format der Heimatwelle geschaffen, das gefüllt werden sollte. Ein Mundart-Wettbewerb war zu Beginn der 80er Jahre geschaffen worden, der eine literarische Messlatte an die Einreichungen anlegte. Es ist das besondere Verdienst von Dr. Edith Braun und Prof. Max Mangold, die Mundarten des Saarlandes mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen und die Ergebnisse in Veröffentlichungen zugänglich zu machen. Jetzt wurden Mundarttexte nicht nur als Unterhaltungsmedium sondern als literarisch wertvolles Gestaltungsmittel wiederentdeckt. Das Symposium lag demnach in einem Mainstream der Zeit, wo man mit dieser neuen Veranstaltungsreihe den Versuch unternahm, der Mundartdichtung einen neuen Schub zu verleihen.